Kosten, die der Verbraucher im Fall einer Retoure zu tragen hat.
Rechtshistorie
Das Thema Rücksendegebühr wurde in der Vergangenheit unterschiedlich behandelt. Vor der Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/83/EU, die am 13. Juni 2014 im deutschen Recht umgesetzt wurde, trug grundsätzlich der Unternehmer die Kosten der Rücksendung. Eine Ausnahme machte hiervon die in Par. 357 Abs. 2 S. 3 BGB beschriebene 40-Euro-Klausel. Demnach konnte ein Unternehmen dem Verbraucher die unmittelbaren Kosten einer Rücksendung auferlegen, wenn der Preis des zurücksendenden Artikels einen Betrag von 40 Euro (brutto) nicht übersteigt. Ferner konnte das Unternehmen dem Verbraucher die Rücksendekosten auferlegen, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Widerrufs die Ware noch nicht bezahlt hatte. Eine Kostenverlagerung war unzulässig, wenn die vom Unternehmer gelieferte Ware nicht der bestellten entsprach (Par. 357 Abs. 2, S. 3).
Seit dem 13. Juni 2014 trägt grundsätzlich der Verbraucher die Kosten der Rücksendung sofern der Unternehmer auf diese Rechtsfolge hinweist und der Unternehmer sich nicht dazu bereit erklärt, diese Kosten selbst zu tragen. Das heißt gegenüber der alten Regelungen haben Händler seit 2014 unabhängig vom Warenwert grundsätzlich die Möglichkeit, die unmittelbar mit der Rücksendung verbundenen Kosten an den Verbraucher zu übertragen. Die wörtliche gesetzliche Regelung gemäß Par. 357 Abs. 6 Satz 1-2 BGB lautet: Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a Par. 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
Allerdings nutzen nur sehr wenige Unternehmen die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit. Es handelt sich hierbei meist um kleinere Nischenanbieter. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Retourenmanagement erheben nur 15 % der befragten Unternehmen eine Rücksendegebühr. Immerhin 58 % der Unternehmen, die aktuell keine Gebühr erheben, geben an, gerne eine Rücksendegebühr erheben zu wollen, dies aber der Wettbewerbsdruck nicht zulässt. Die verbleibenden 42 % wollen bewusst keine Gebühr erheben. Hierbei handelt es sich vor allem um große Händler mit einem Umsatz von über 50 Mio. Euro. Diese Unternehmen setzen die "kostenlose Retoure" zielgerichtet strategisch ein um Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Verkürzt ausgedrückt lohnt sich die kostenlose Retoure für diese Unternehmen betriebswirtschaftlich.
Die gewonnenen Daten zeigen, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine Rücksendegebühr mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin ein Nischenphänomen bleibt. Aufgrund des Wettbewerbsdrucks können es sich auch Händler, die gerne eine Rücksendegebühr erheben möchten, nicht leisten dies zu tun, da bei einem solchen Schritt mit großen Umsatzeinbußen zu rechnen ist.
Option einer gesetzlichen Mindest-Rücksendegebühr
Ein Option dies zu verändern, wäre eine erneute Änderung der Gesetzgebung, mit dem Ziel eine gesetzliche (Mindest-)Rücksendegebühr zu verankern, die gleichermaßen für alle Teilnehmer gilt. Für eine solche gesetzlich verankerte (Mindest-)Rücksendegebühr sprechen die nachfolgenden Argumente:
Der aktuelle vorherrschende Marktzustand der "kostenlosen Rücksendung" verzerrt den Wettbewerb zugunsten der großen Anbieter, da sie ein Kundenverhalten fördern und stimulieren, das für kleinere Anbieter mit größeren negativen Konsequenzen verbunden ist, als für größere Anbieter. Dies liegt daran, dass größere Anbieter eine größere Verhandlungsmacht gegenüber den Logistikdienstleistern haben und deshalb niedrigere Preise für den Rücktransport realisieren können und außerdem über eine effizientere Prozessstruktur (höhere Automatisierung, It-Unterstützung, Auslagerung an Logistikdienstleister) verfügen. Den Daten des Retourentachos zufolge kostet ein retournierter Modeartikel einen großen Händler weniger als 2 Euro, während kleine Händler von Kosten von etwa 9 Euro berichten.
Rücksendegebühren ermöglichen niedrigere Preise für alle Verbraucher. Im aktuell vorherrschenden Fall der "kostenlosen Retoure" sind die Kosten im Preis einkalkuliert. Folglich finanzieren Kunden mit niedrigen Retourenquoten über die von Ihnen zu entrichtenden höheren Preise das Verhalten von Vielretournierern. Eine Rücksendegebühr setzt stattdessen das Verursacherprinzip um.
Die Daten unserer Untersuchung liefern darüber hinaus Hinweise, dass eine Rücksendegebühr dazu beitragen kann, die Anzahl der Retouren zu reduzieren. Damit kann eine Rücksendegebühr dazu beitragen, die CO2-Bilanz des E-Commerce weiter zu verbessern. Im Kern gibt eine Gebühr den Kunden einen finanziellen Anreiz, sich vor einer Bestellung intensiver mit den Artikeln auseinanderzusetzen. Darüber hinaus stellt eine Gebühr auch für den Händler einen Anreiz dar, noch stärker in Präventivmaßnahmen zur Vermeidung von Retouren zu investieren.
(Optimale) Höhe einer gesetzlichen (Mindest-)Rücksendegebühr
Für die Umsetzung einer solchen Gebühr ist es aus Sicht der Forschungsgruppe maßgeblich, dass davon einzelne Parteien nicht unangemessen benachteiligt werden. Deshalb sollte die Gebühr vergleichsweise niedrig angesetzt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt scheint eine Gebühr von maximal 2-3 Euro pro Sendung geeignet. Im Jahr 2018 wurde die Anzahl der Retouren auf 280 Mio. Sendungen geschätzt. Dies entspricht pro Bundesbürger im Schnitt 3,3 Retourensendungen pro Jahr. Die Pro-Kopf-Mehrbelastung einer solchen Gebühr beträgt im Mittel demnach 6,60-9,90 Euro/Jahr. Dies bezieht sich auf die reinen Rücksendekosten. Diesem Mehraufwand sind noch die Ersparnisse durch niedrigere Preise gegenüber zu stellen, wodurch die reale Belastung niedriger ausfällt. Für Verbraucher mit niedrigen Retourenquoten ist davon auszugehen, dass sich deren finanzielle Belastung insgesamt gegenüber dem Status quo verringert.
Gleichzeitig darf eine solche Gebühr den Internethandel gegenüber anderen Vertriebsformen nicht unangemessen benachteiligen. Auch dies sehen wir aufgrund anderer struktureller Vorteile, die von einer Gebühr nicht betroffen sind, als nicht gegeben. Dazu zählen bspw. die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten, die Zeitersparnis, die größere Produktvielfalt. Ferner würde ein externer Ausweis der Rücksendegebühren dazu führen, dass der wahrgenommene Preisunterschied zwischen dem stationären Handel und dem Internethandel tendenziell zunimmt. Des Weiteren besteht ein Widerrufsrecht weiterhin nur im Internethandel, während der Verbraucher im stationären Handel auf Kulanzregelungen der Händler angewiesen ist.
Kundenakzeptanz von gesetzlichen (Mindest-)Rücksendegebühren
Zur Akzeptanz von gesetzlichen (Mindest-)Rücksendegebühren ist uns bislang keine empirische Studie bekannt. Bislang beziehen sich die Publikationen nur auf Rücksendegebühren, die ein Händler in Eigenverantwortung einführt. In einer Umfrage des ECC Köln unter 1.505 Verbrauchern ergibt sich ein kritisches Bild [1]:
Der Aussage "Ich würde nicht weiter in Online-Shops kaufen, bei denen ich für Warenrücksendungen selbst bezahlen muss" stimmen 64,5 % der Befragten zu.
Allerdings ist eine solche Abfrage mit Vorsicht zu interpretieren, da sie nicht auf die alternativen Rahmenbedingungen eingeht. Im Kern bewertet der Kunde nicht die Rücksendemöglichkeit, sondern das gesamte Leistungsbündel, zu dem weitere Kriterien, wie beispielsweise der Gesamtpreis zählen. Darüber hinaus beschränken sich die Alternativen bei einer gesetzlichen Regelung auf den stationären Handel, der dafür andere Nachteile aufweist.
In einer von uns durchgeführten Befragung von Händlern, die in ihren Nischenmärkten bereits jetzt die Möglichkeit einer Rücksendegebühr nutzen, gaben die Befragten an, im Mittel lediglich einen Umsatzrückgang von 1,1 % beobachtet zu haben. Darüber hinaus ist der Umstand, dass diese Shops die Einführung einer Rücksendegebühr nicht rückgängig gemacht haben, ein starkes Indiz dafür, dass sich der zu erwartende Umsatzrückgang in Grenzen hält.